Freimaurer auf Kuba
Haus der Großloge in Havana, in der sich auch das Freimaurermuseum befindet.
Zuerst eine Geschichte zu diesem Thema, die auf einer wahren Begebenheit beruht.
Viva la Fraternidad
Kaum hörbar tauchten die Ruder in die ruhige See, in dieser tiefschwarzen Nacht. Die Sterne waren von Wolken verdeckt und nur ein leichter Wind kräuselte das Meer. Ideale Umstände, um unbemerkt das Boot an Land zu manövrieren.
Die vier Männer, die sich behutsam an den Rudern zu schaffen machten, waren in olivgrüne Uniformen gekleidet, eine Schirmmütze auf dem Kopf und ein Schnellfeuergewehr griffbereit an der Seite. Der fünfte vollbärtige Mann belugte intensiv die kaum wahrnehmbare Küste. Die Augen traten vor lauter Anstrengung leicht aus ihren Höhlen und der Blick schien irre, so konzentriert war seine Aufmerksamkeit der feindlichen aber doch so vertrauten Region gewidmet.
Keine Bewegung sollte ihm entgehen. Würden sie entdeckt, so bedeute dies ihren unweigerlichen Tod. Ein Fehler und ihr ganzes Vorhaben, den verhassten Despoten zu stürzen, wäre vereitelt.
Er, der General, wollte sein Land, seine Insel, sein Volk befreien von den korrupten kapitalistischen Speichelleckern der USA. Seine Seele, sein Herz brannten wie Feuer, diesen für sie einzigen Ausweg zu bestreiten. Ein Freies Volk, frei vom Materialismus, frei von Unterdrückung, das waren die Visionen des energischen und charismatischen Soldaten.
Das Boot schob seinen Bug leise knirschend über den Sand der Bucht. Behänd sprang der General heraus und zog es mit seinen Gefährten soweit aus dem Wasser, dass es nicht abgetrieben werden konnte. Waren die anderen Barken in den Nachbarbuchten auch gelandet? Bei eingehaltenem Zeitplan hätte dies sein müssen. Oben an der Weggablung wollten sie sich treffen und gemeinsam das Militärlager stürmen. Einmal Kontrolle über diesen Stützpunkt erlangt, wäre die Einnahme des Präsidentenpalastes nur noch ein Kinderspiel.
Immer wieder stehenbleibend, horchend und um sich schauend, schlich der Trupp von fünf Mann den engen Pfad der steilen Felsenküste, die die versteckte Bucht einschloss, hinan. Nichts Verdächtiges war zu hören, nur das Zirpen von Grillen durchbrach die nächtliche Ruhe. Noch etwa einhundert Meter mochten es bis zum verabredeten Treffpunkt sein.
Da wurden sie auch schon den Gestalten der wartenden Verbündeten gewahr. Auch diese mussten sie bemerkt haben, denn sie winkten der sich nähernden Gruppe entgegen. Noch konnte man ihre Gesichter nicht erkennen, es war einfach zu dunkel. Freudig, diese erste Etappe gemeistert zu haben, pulsierte das Blut heftig in den Adern. Schon streckte der General seine Hand zum Gruß vor, als sich blitzschnell sechs Gewehrmündungen auf seinen und der anderen Köpfe richteten.
„Arriba los manos!“, herrschte ihn eine strenge Stimme an.
„Madre de dios!“, entfuhr es einem der Ankömmlinge entsetzt. Aus, alles aus. Die als Freunde geglaubten, waren Schergen des Diktators. Taschenlampen leuchteten grell in ihre Gesichter und blendeten sie, jede Gegenwehr war sinnlos, ganz zu schweigen, dass sie starr vor Entsetzen waren. Gleichzeitig wurden sie von flinken Händen entwaffnet. Der gegnerische Kommandante riss ihnen die Patronengurte herunter und zwang die Revolutionäre, heftig am Revers packend, auf die Knie.
Dabei öffnete sich das Hemd vom Stellvertreter des Generals und eine schwere goldene Halskette kam zum Vorschein. Im Lichtkegel der Taschenlampe erkannte man deutlich ein größeres Medaillon, auf dem ein Zirkel und ein Winkelmaß ziseliert waren. Beim Anblick dieses Zeichens hielt der Kommandante jäh inne, richtete den Gefangenen ruckartig wieder auf und drückte ihm die Hand in eigenartiger Weise.
Der freudige Hoffnungsschimmer, der daraufhin aus den Augen des Revolutionärs leuchtete, verwunderte den General und die anderen Kammerden, denen das Schauspiel nicht entgangen war.
Die Stimme des Kommandante blieb zwar ernst, aber sie war deutlich erregt, als er dem Erhobenen andeutete, schnell mit seinem Trupp die Insel zu verlassen. Mann hätte niemanden gesehen und nichts sei vorgefallen. Mit Tränen in den Augen küssten sich die beiden aus gegnerischen Lagern stammenden Männer freundschaftlich drei mal auf die Wangen, ehe der Adjutant hastig seine Weggefährten einschließlich den General am Ärmel packte und den Weg zurückeilte. Man hatte ihnen ihre Leben geschenkt.
***
Diese Erzählung basiert, wie oben bereits geschrieben, auf einer wahren Begebenheit, die sich auf Kuba unter dem Diktator Batista ereignete. Der General war kein geringerer als Fidel Castro, der bis zu seinem Tod den Freimaurern für seine Rettung dankbar war.
Fidel Castro wollte später zwar dem Bund der Freimaurer auf Kuba beitreten, aber sein Ansuchen wurde abgelehnt. Mit der Begründung, er müsse erst seinen Dogmatismus ablegen.
Aber das schien Castro den Freimaurern, von denen heute ca. 33.000 auf der Insel leben, nicht übel zu nehmen, zumal Castro die Freimaurer und deren Netzwerke im Kampf gegen das Verbrechen dringend brauchte.
Doch von diesem positiven Einfluss ist leider nicht mehr viel übrig, zum Großteil sind die Logen überaltert und nur wenige junge Kubaner finden den Zugang zur Freimaurerei. Es schien mir, als befänden sich viele der Freimaurer in einer Art Lethargie, denn anstatt Hand anzulegen in den Logenhäusern und deren Vorgärten – viele Dinge wären leicht mit händischer Arbeit zu erledigen – jammern sie, wie schlecht es ihnen finanziell ginge, wie schlecht alles, oder fast alles, auf Kuba sei.
Freudig, aber mit einem Hauch Melancholie, zeigten mir die Freimaurerbrüder ihre reparaturbedürftigen Logenhäuser, die sich teilweise wirklich in einem traurigen Zustand befanden. Selbst das Haus der Großloge in Havana, vor allem der Versammlungssaal wies eklatante Mängel auf, die aber schnell mit ein wenig Geschick zu beheben gewesen wären.
Nicht so das Freimaurermuseum, hier bemüht man sich, die Geschichte der Freimaurerei auf Kuba auf Hochglanz zu halten. Aber weder die überaus freundlichen Brüder, noch deren Bemühungen um freimaurerisches Gedankengut vermochten über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass die Freimaurerei auf Kuba sich in einer Sackgasse befindet. Schade.
Der sehr liebenswürdige und hilfsbereite Museumsdirektor
Wir fragten bei unseren Übernachtungen stets unsere Gastgeber, was sie von der Freimaurerei auf Kuba wüssten. Erstaunlicher Weise, wusste nicht einer etwas damit anzufangen. Nicht einmal das Logenhaus im eigenen Ort war ihnen bekannt. Erst nach vielem Herumfragen, fanden wir die jeweilen Logenhäuser und statteten ihnen einen Besuch ab.
Dabei wäre die Freimaurerei und ihre Einstellung zu Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ein enorm wichtiges Werkzeug dafür, dass Kuba nicht zurückfällt in die Zeiten Batistas. Leider sind die Weichen danach gestellt. Der Traum von Kuba verblasst.
Übrigens war auch Che Guevara kein Freimaurer, wie viele gerne behaupten.